Ghost Wall im Snapchat-HQ Foto: PR Snapchat
Zwischen Messenger und sozialem Netzwerk stehend, mischt Snapchat mit laufend neuen Funktionen die Medienbranche auf. Die Zahlen sprechen für sich: Weltweit verschicken 100 Millionen tägliche Nutzer 700 Millionen Fotos und sorgen mit sechs Milliarden Videoaufrufen für enormen Traffic. Besonders bei der jungen Zielgruppe erfreut sich die App hoher Beliebtheit. Für 16 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen in Deutschland zählen sie zu den drei wichtigsten Smartphone-Anwendungen überhaupt.
Wir haben wir uns genauer angeschaut, was Millionen Nutzer an dieser App so sehr fasziniert und welches Potential für Unternehmen, zum Beispiel in der Spielwarenindustrie oder im Einzelhandel, in ihr steckt.
Das Snapchat-1×1
Mit Snapchat kann man chatten, (video-)telefonieren und Sprachnachrichten oder Snaps an andere Nutzer verschicken. Snaps sind Fotos oder Videos von bis zu zehn Sekunden Länge, die der Nutzer mit Text, Emojis, Zeichnungen oder Filtern bearbeiten kann. Außerdem kann man sein Selfie mit animierten Live-Effekten in Echtzeit durch Verändern der Mimik beispielweise in ein gruseliges Monster oder ein niedliches Tier verwandeln. Snapchat stellt diese unterschiedlichen Effekte – genannt Lenses – nur tageweise zur Verfügung und eröffnet dadurch immer wieder neue Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Besonderheit an Snapchat: Die Bilder und Videos in der App sind für andere User nur zeitlich begrenzt sichtbar. Entweder schickt man seinen Snap direkt an einen oder mehrere Kontakte und macht ihn über einen Timer bis zu zehn Sekunden einmalig für den Empfänger sichtbar. Oder man fügt einen Snap zu seiner eigenen Snapchat Story hinzu, wo sie andere Nutzer 24 Stunden lang so oft ansehen können, wie sie möchten.
Erfolgskontrolle ausbaufähig
Besonders schön bearbeitete eigene Snaps kann man direkt speichern. Die einzige Möglichkeit, einen fremden Inhalt zu speichern, ist der Screenshot. Allerdings kann der Absender nachvollziehen, wer einen Screenshot von seinem Snap erstellt hat. Gleichzeitig ist die Anzahl der erstellten Screenshots aber ein guter Trick, um den Erfolg eines Snaps zu messen. Denn viele Möglichkeiten, Reichweiten bei Snapchat zu messen, gibt es nicht. Neben dem Snapscore, der sich aus der Anzahl aller verschickten und erhaltenen Snaps zusammensetzt und anderen Usern Auskunft darüber gibt, wie intensiv man die App nutzt, kann man für jedes Bild oder Video die einzelnen Aufrufe sehen.
Doch der beste Snap taugt nichts, wenn niemand davon etwas mitbekommt. In erster Linie kann man bei Snapchat über den Nutzernamen oder den Snapcode finden und gefunden werden. Dazu muss man Werbung für seinen Account machen, denn mit einer Stichwortsuche oder Hashtags kommt man bei dem Messenger nicht weit.
So funktioniert Snapchat im Marketing-Mix
Die Faszination an Snapchat liegt vor allem in der Authentizität und der Vergänglichkeit. Es geht nicht darum, möglichst schöne und perfekte Bilder zu inszenieren, sondern um nicht gestellte und spontane Eindrücke. Unternehmen können die App als vielseitigen Kommunikationskanal nutzen, eine gute Möglichkeit, um Einblicke hinter die Kulissen zu gewähren. Zum Beispiel können sie einen eigenen Account erstellen und Markenbotschaften platzieren oder Employer Branding betreiben. Auch der Konzern Rewe will mit seinem kürzlich gestarteten Account rewekarriere junge Auszubildende gewinnen und seine Zielgruppe dort ansprechen, wo sie sich alltäglich bewegt. In seinen Snaps geht der Arbeitgeber auf Fragen und Wünsche ein, die von potentiellen Azubis an ihn herangetragen werden.
Eine Marke muss aber nicht einmal selbst bei Snapchat aktiv sein, um dort Werbung zu machen. Snapchat bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre eigenen Lenses zu entwerfen und stellt sie den Nutzern für eine begrenzte Zeit als gebrandete Animationseffekte zur Verfügung. Diese „Sponsored Geolenses“ sind zudem die ersten Lenses, die die Snapchatter in der Reihe der angezeigten Effekte sehen.
Snapchat Best Practice aus der Spielwarenindustrie
Unternehmen können aber auch den Erfolg besonders beliebter Snapchatter nutzen. Eine äußerst wirkungsvolle Kampagne ist im Oktober 2015 der amerikanische Spielzeughersteller Sphero für seinen neuen BB-8 Roboter gefahren. Das Unternehmen kooperierte mit fünf Influencern, also besonders reichweitenstarken Chattern, die BB-8 in ihre Snaps einbauten. Ergebnis: Innerhalb von 24 Stunden generierte die Kampagne mehr als 10 Millionen Views und der kleine Roboter war sehr schnell in 14.000 Geschäften ausverkauft. Einer der fünf Influencer war Shaun McBride. Mit seinen außergewöhnlich kreativen Snaps ist er im Moment als Shonduras sogar einer der erfolgreichsten Snapchatter überhaupt. Neben eigenen Inhalten postet er in Kooperation mit Unternehmen wie Disney, Samsung oder Red Bull entsprechend gebrandete Snaps auf seinem Account.
In Deutschland nutzt der Youtuber Sami Slimani die App besonders professionell: Getreu seinem Image des verwundbaren und schüchternen Jungen von nebenan mischen sich immer wieder Beiträge aus Kooperationen unter seine eigenen Bilder. Rechtlich gesehen ist eine Kennzeichnung von Kooperationen auch auf Social-Media-Kanälen Pflicht, bisher ungeklärt ist jedoch, in welcher Form. Um die eigene Glaubwürdigkeit zu wahren, empfiehlt es sich aber sowohl für Unternehmen als auch für Snapchatter, eine Kooperation auch eindeutig als solche kenntlich zu machen.
Fazit: Ausprobieren!
Snapchat birgt also Potential für Unternehmen. Die Nutzer konsumieren die Snaps besonders aufmerksam, weil sie ein Bild oder eine Geschichte aktiv aufrufen und sich bewusst für einen Inhalt entscheiden. Die App hat allerdings auch ihre Tücken. Die Handhabung ist alles andere als selbsterklärend und Aufmerksamkeit zu bekommen, gestaltet sich wesentlich schwieriger als in anderen sozialen Netzwerken. Da aber besonders die junge Generation Snapchat begeistert nutzt, sollten sich Unternehmen, die diese Zielgruppe ansprechen wollen, an die App heranwagen.
Von Ulrica Griffiths & Theresa Wiediger